Potenzstörung und Myokardinfarkt: Zusammenhang jetzt nachgewiesen

Eine Reihe rezenter Arbeiten konnte klar den Zusammenhang von erektiler Dysfunktion (ED) mit kardiovaskulären Erkrankungen feststellen. Somit nimmt die ED einen vollkommen neuen Stellenwert in der Urologie ein – die ED ist sehr häufig ein klares, oft erstes Anzeichen einer ernstzunehmenden Erkrankung, welche im weiteren Verlauf unter Umständen sogar den Tod nach sich ziehen kann.

Dieser Artikel soll eine Zusammenfassung von ausgewählten, kürzlich veröffentlichten Arbeiten liefern, die diesen Zusammenhang in prospektiven Untersuchungen analysiert haben.

Schouten et al. 2008 widmete sich in seiner Arbeit dem Zusammenhang der ED und dem späteren Auftreten von Myocardinfarkt, Stroke oder plötzlichem Herztod.

In Krimpen aan den IJssel, in der Nähe von Rotterdam, wurden alle Männer zwischen dem 50. und 75. Lebensjahr eingeladen an der Studie teilzunehmen. Einschlusskriterium war, dass die Studienteilnehmer bis zum Beginn der Studie weder an einem Prostata- noch an einem Blasenkarzinom erkrankt waren. Zur Evaluierung der ED wurde eine einzelne Frage bezüglich erektiler Rigidität (aus der International Continence Society Male Sex Questionnaire) gestellt um das Ausmaß der ED zu Studienbeginn abschätzen zu können. Das mediane Follow-Up betrug 6.3 Jahre und das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse, inkl. akutem Myokardinfarkt, Stroke und plötzlicher Herztod wurden vermerkt.

Von 1248 Männern, ohne bekannter kardiovaskulärer Erkrankung, wiesen 258 (=22.8%) eine reduzierte erektile Rigidität auf, 108 (=8.7%) berichteten von einer stark reduzierten erektilen Rigidität. Bei insgesamt 7945 “Person-Years of Follow-Up“ traten 58 kardiovaskuläre Events auf. In der multivariaten Analyse betrug die Hazard ratio für kardiovaskuläre Events 1.6 (95% confidence interval [CI]: 1.2-1.3) bei reduzierter Rigidität und 2.6 (95% CI: 1.3-5.2) bei stark reduzierter Rigidität. Dieses Problem war stark altersabhängig – so betrug das Risiko beispielsweise bei Männern über 70 Jahren und schweren Potenzstörungen bereits das 15-fache im Verhältnis zu Männern ohne Potenzstörungen.

Ma et al. 2008 untersuchte ob eine ED bei chinesischen Männern ein Prädiktor für eine KHK sein kann. 2306 Männer im medianen Alter von 54.2 Jahre ohne bekannter KHK wurden in die Studie eingeschlossen. Das mediane Follow-Up betrug 4 Jahre (Range 1.7 bis 7.1a) und 26.7% aller Probanden litten zu Studienbeginn an einer ED. Die Inzidenz an einer KHK zu erkranken war in der Patientengruppe mit bestehender ED signifikant höher als in der Gruppe ohne ED (19.7/1.000 Patienten pro Jahr, 95% confidence interval [CI] 14.3 bis 25.2 Patienten pro Jahr vs. 9.5/1.000 Patienten pro Jahr, 95% CI 7.4 bis 11.7 Personen pro Jahr). Männer, welche im Beobachtungszeitraum der Studie eine KHK entwickelten, waren älter, hatten häufiger eine ED sowie mikrovaskuläre Schäden; weiters konnte ein längeres Bestehen von Diabetes, hohem arteriellem Blutdruck, höheres Gesamtcholesterin sowie höheres LDL (jedoch ein erniedrigtes HDL) und eine niedrige GFR verzeichnet werden. In der multivariaten Analyse betrug die Risikoerhöhung eines neuen koronaren Events bei Männern mit Baseline-ED 58% (p<0.05).

Eine Arbeit von Inman et al. 2009 hatte zum Ziel, den Zusammenhang zwischen erektiler Dysfunktion und Langzeitrisiken der KHK zu erkennen und die Rolle des Alters in diesem Kontext besser abschätzen zu können. 1402 Männer mit vorhandenen Sexualpartner wurden über einen Zeitraum von 2 Jahren beobachtet. Voraussetzungen für den Einschluss in diese Studie waren eine bekannte ED (Erfassung mittels BMSFI [Brief Male Sexual Function Inventory]) und eine blande kardiovaskuläre Anamnese. Es konnte signifikant gezeigt werden, dass die Prävalenz eine ED zu erleiden mit dem Alter kontinuierlich zunimmt. Tritt die ED bereits in jungen Jahren auf, ist die Wahrscheinlichkeit eines zukünftigen kardialen Ereignisses deutlich höher, als im höheren Alter (Tabelle 1). Dies ist auch der Grund, weshalb junge Männer mit einer bestehenden ED am meisten von einem Screening kardiovaskulärer Risikofaktoren und anschließender Therapie profitieren. Über alle Altersgruppen war in dieser Studie das Risiko für die Neuentstehung einer KHK bei Männern mit ED um 80% erhöht (p=0.002).

Die Gruppe um Böhm et al. 2010 untersuchte, ob man bei Bestehen einer ED ein mögliches, zukünftiges kardiovaskuläres Event bei Patienten mit bekannten kardiovaskulären Vorerkrankungen vorhersagen kann. Die Mortalität und das kardiovaskuläre Outcome wurden evaluiert. Doppelblind randomisiert wurden 1549 Patienten inkludiert. Die Befragung der Patienten bezüglich ED wurde zu Beginn der Studie, nach 2 Jahren sowie zur Abschlussuntersuchung mittels IIEF-Fragebogen und dem Kölner Erfassungsbogen der Erektilen Dysfunktion (KEED) durchgeführt die Ergebnisse beider Fragebögen wurden anschließend verglichen und stimmten im Wesentlichen überein. Das mediane Follow-Up lag bei 48 Monaten und die Ergebnisse konnten zeigen, dass Patienten mit einer bestehenden ED eindeutig eine höhere Prävalenz zu arterieller Hypertonie, Strokes bzw. TIAs und Diabetes hatten. Es bestand eine Gesamtsterblichkeit in der Gruppe der Patienten mit ED von 11.3%, in der Gruppe der Patienten ohne oder mit nur geringer ED von 5.6%. Insgesamt war die Gesamtsterblichkeit bei ED-Patienten um 84%, die Sterblichkeitsrate an kardiovaskulären Erkrankungen um 93% und die Herzinfarktrate um 102% erhöht (alle Werte korrigiert [Alter, RR, Diabetes mellitus,…], p<0.05). Bei Teilnehmern mit schwerer Potenzstörung war die Gesamtsterblichkeitsrate um 164% erhöht.

Zusammenfassend wurden in den letzten 2 Jahren 4 umfangreiche Studien publiziert, welche alle prospektiv eine signifikante Erhöhung der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität bei Männern mit ED zeigen konnten (Tabelle 2). Das Risiko, welches um Alter und Comorbidität korrigiert wurde, war im Durchschnitt um 60-100% erhöht. Diese eindrucksvollen, übereinstimmenden Ergebnisse unterstreichen den Stellenwert von Potenzstörungen als ernstzunehmende Symptomatik.

Tabelle 1: Aus INMAN et al., Mayo Clin. Proc., 2009

Alter

KHK-Inzidenz pro 1000 “Person-Years“ bei Männern ohne ED

KHK-Inzidenz pro 1000 “Person-Years“ bei Männern mit ED

40-49a

0.94

48.52

50-59a

5.09

27.15

60-69a

10.72

23.97

>70a

23.30

29.63

Tabelle 2: Überblick über die ausgewählten Publikationen

n =

Follow-Up

Hazard ratio bei ED für Events

Schouten et al. 2008

1248

6.3a

1.6-2.6

Ma et al. 2008

2306

4a

1.58

Inman et al. 2009

1402

2a

1.8

Böhm et al. 2010

1549

4a

1.8-2.64

Literatur:

Schouten BWV, Bohnen AM, Bosch JLHR, Bernsen RMD, Deckers JW, Dohle GR and Thomas S (2008)

„Erectile dysfunction prospectively associated with cardiovascular disease in the Dutch general population: results from the Krimpen Study“; International Journal of Impotence Research 20:92-99

Ma RCW, So WY, Yang X, Yu LWL, Kong APS, Ko GTC, Chow CC, Cockram CS, Chan JCN, Tong PCY (2008) „Erectile Dysfunction Predicts Coronary Heart Disease in Type 2 Diabetes“; Journal of the American College of Cardiology 51:2045-2050

Inman BA, Sauver JLSS, Jacobson DJ, McGree ME, Nehra A, Lieber MM, Roger VL, Jacobsen SJ (2009)

„A Population-Based, Longitudinal Study of Erectile Dysfunction and Future Coronary Artery Disease“; Mayo Clin Proc. 84:108-113

Böhm M, Baumhäkel M, Teo K, Sleight P, Probstfield J, Gao P, Mann JF, Diaz R, Dagenais GR, Jennings GLR, Liu L, Jansky P, Yusuf S (2010)

„Erectile Dysfunction Predicts Cardiovascular Events in High-Risk Patients Receiving Telmisartan, Ramipril, or Both: The ONgoing Telmisartan Alone and in combination with Ramipril Global Endpoint Trial/Telmisartan Randomized AssessmeNt Study in ACE iNtolerant subjects with cardiovascular Disease (ONTARGET/TRANSCEND) Trials“; Circulation 121:1439-1446

veröffentlicht am 12. Juni 2011