state of the art: Diagnostik und Therapie des Prostatakarzinoms

Stephan Madersbacher, Anton Ponholzer, Michael Rauchenwald

Einleitung und aktuelle Entwicklungen

In nahezu allen Bereichen des Prostata-Karzinoms wurden in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte erzielt. Zu den klinisch wichtigsten zählen die erst kürzlich 2009 im New England Journal of Medicine publizierten auf zwei großen randomisierten Studien basierenden Daten zur Wertigkeit des Prostata-Karzinom-Screenings; die Erkenntnis, dass mittels 5-alpha- Reduktase-Inhibitoren (Finasterid/Dutasterid) eine Prostata-Karzinom-Risikoreduktion (Prävention) ineinem gewissem Umfang möglich ist; der Nachweis, dass für die radikale Prostatektomie in einer randomisierten Studie im Vergleich zu watchful waiting ein Überlebensvorteil besteht; die kontinuierliche Verfeinerung der Technik der radikalen Prostatektomie (RPE) sowie die Etablierung der laparoskopischen und roboterassistierten Technik; die moderne Hochpräzisionsstrahlentherapie; die Individualisierung der Hormontherapie und die Etablierung der Docetaxelbasierten Chemotherapie für Patienten mit einem kastrationsresistenten Prostata-Karzinom.

Prävention – Risikoreduktion

In zwei großen, randomisierten Studien wurde die Möglichkeit einer Prostata-Karzinom-Prävention/ Risikoreduktion mit 5-alpha-Reduktase- Inhibitoren (5ARIs, Finasterid, Dutasterid) untersucht. Diese Präparate, welche seit Jahren zur medikamentösen Therapie der benignen Prostata-Hypertrophie eingesetzt werden, hemmen die intraprostatische Umwandlung von Testosteron zum potenteren Dihydrotestosteron. In beiden Studien (PCPT = Prostate Cancer Prevention Trial, REDUCE = Reduction by Dutasteride of Prostate Cancer Events) konnte unter jahrelanger 5ARI-Gabe eine 20- bis 25prozentige Risikoreduktion für die Entwicklung eines klinisch fassbaren Prostata-Karzinoms nachgewiesen werden (Evidenzlevel 1b). Es bleibt abzuwarten, inwieweit das Konzept der Chemoprävention in Zukunft akzeptiert wird; vor allem für Risikogruppen (positive Familienanamnese, hoher PSA-Wert bei negativer Biopsie, Prostata-Karzinom-Vorstufen in der Biopsie) scheint dieser Ansatz interessant. In zwei weiteren großen Präventionsstudien konnte dagegen kein protektiver Effekt von Selen, Vitamin E und C nachgewiesen werden (Evidenzlevel 1b).

Vorsorge – Massenscreening

Ende März 2009 sind die schon seit lange erwarteten ersten Ergebnisse von zwei großen, randomisierten Prostata- Karzinom-Screening Studien erschienen. In der europäischen, multinationalen Studie (ERSPC – European randomised study of Screening for prostate cancer) wurden insgesamt 182.000 Männer im Alter von 50 bis 74 Jahren in einen Screening- und einen Kontroll-Arm randomisiert. Nach einem medianen Nachbeobachtungszeitraum von neun Jahren war die Prostata-Karzinom-Mortalität im gescreenten Arm um 20 Prozent geringer (p = 0,04) als im nicht-gescreenten Arm (Evidenzlevel 1b). In der gleichen Ausgabe des NEJM erschien auch die erste Analyse der amerikanischen PLCOStudie (U.S. Prostate, Lung, Colorectal, and Ovarian Cancer Screening Trial). In dieser Studie wurden zwischen 1993 und 2001 insgesamt 76.693 Männer aufgenommen. PLCO konnte – im Gegensatz zur ERSPC – hinsichtlich der Senkung der Mortalität über elf Jahre keinen Vorteil für das Prostatat-Karzinom- Screening nachweisen (Evidenzlevel 1b). : Allerdings hatte bereits vor Eintritt in die Studie nahezu die Hälfte der Teilnehmer einen PSA-Test und die Biopsierate war im Kontrollarm nahezu so hoch wie im Screening-Arm. Insofern ist die Validität dieser Studie beschränkt.

Wie durch jedes Screening-Programm besteht auch für das Prostata-Karzinom eine relevante Gefahr der Übertherapie. Anhand der ERSPC-Daten wurde errechnet, dass 1.410 Männer gescreent beziehungsweise 48 behandelt werden müssen, um einen Prostata-Karzinom- Todesfall zu verhindern (Evidenzlevel 1b). Daher kommt der ausführlichen Beratung über die verschiedenen Vor- und Nachteile des Prostata-Karzinom-Screenings größte Bedeutung zu. ERSPC legt jedoch einen breiteren Einsatz des PSATests nahe. Die Österreichischen Gesellschaft für Urologie empfiehlt als Prostata- Vorsorge eine jährliche Untersuchung ab dem 45. bis 50. Lebensjahr mit digitorektaler Untersuchung und PSA-Test. Bei einer positiven Familienanamnese wird empfohlen, mit dieser Vorsorgeuntersuchung fünf Jahre früher zu beginnen.

Wichtige Symptome

Das Prostata-Karzinom verursacht im Früh- (und damit im potentiell heilbaren) Stadium keine Symptome. Eine kurative Behandlung ist demnach in der Regel nur beim asymptomatischen Patienten möglich. Dies unterstreicht die Bedeutung der Prostata-Karzinom- Vorsorge (= opportunistisches Screening, siehe dort).

Diagnose

Die drei wesentlichen diagnostischen Schritte sind die Bestimmung des PSAWertes, die digito-rektale Untersuchung (DRU) und die transrektale, ultraschallgezielte systematische Biopsie der Prostata. Wesentliches Ziel der modernen Diagnostik/ Vorsorge ist es nicht, möglichst viele oder gar alle Prostata-Karzinome zu diagnostizieren, sondern potentiell aggressive Tumore bei Männern mit einer Lebenserwartung von zumindest zehn Jahren zu entdecken.

Prostataspezifisches Antigen (PSA)

Zweifelsohne hat die Etablierung der PSA-Bestimmung Diagnose, Therapie und Verlaufskontrolle des Prostata-Karzinoms revolutioniert. PSA kann derzeit mit mehreren Dutzend verschiedenen Test-Kits quantifiziert werden, zur besseren Vergleichbarkeit sollte jedoch bei einem Patienten immer derselbe Test angewendet werden.

Zunächst muss festgehalten werden, dass ein PSA-Normalwert nicht existiert, vielmehr besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Höhe des PSA-Wertes und dem Prostata-Karzinom- Risiko. Selbst bei einem PSA-Wert von 1-3,0ng/ml kann bei etwa 20 Prozent bioptisch ein Prostata-Karzinom nachgewiesen werden (Evidenzlevel 1b).

Ein PSA-Grenzwert von 3,0 bis 4,0ng/ ml kann als Richtwert für eine Population von 50 bis 65 Jahren als plausibel angenommen werden. Besser sollten altersspezifische Grenzwerte eingesetzt werden. Der positive Vorhersagewert bei einem PSA-Wert von 2-4ng/ml liegt bei etwa 22 bis 30 Prozent, bei 4-10ng/ml bei 41 Prozent und über 10ng/ml bei 50 bis 70 Prozent. Die digito-rektale Untersuchung ist keine effiziente Früherkennungsmethode (Evidenzlevel 2a).

Bei der Interpretation des PSA-Wertes muss auch die biologische Variabilität von etwa 20 Prozent berücksichtigt werden. Weitere Faktoren, die neben einem Prostata-Karzinom zu einer Erhöhung des PSA-Wertes führen können, sind: akute/chronische Prostatitis, gutartige Vergrößerung der Prostata, Ejakulation vor der Blutabnahme sowie mechanische Irritationen wie akute Harnverhaltung, Katheterisierung, rektale Untersuchung, Zystoskopie, langes Fahrradfahren u.ä. Eine Erniedrigung des PSA-Wertes tritt unter Medikation mit 5-alpha-Reduktase-Inhibitoren, Anti- Androgenen, LHRH-Agonisten und LHRH-Antagonisten auf; auch ein Testosteronmangel kann zu einer Erniedrigung des PSA-Wertes führen.

Weitere, vom PSA abgeleitete Parameter sind die PSA-Dichte (Verhältnis Gesamt-PSA zu Prostatagesamtvolumen) und verschiedene Methoden zur Darstellung der PSA-Kinetik (PSA-Velocity: Anstieg über ein Jahr – Grenzwert 0,4-0,75ng/ml pro Jahr; PSA-Doubling- Time: Berechnung der Verdoppelungszeit). Der Dynamik des PSA-Verlaufes kommt in Bezug auf die Indikationsstellung zur Biopsie und der Prognoseabschätzung vor Therapie sowie im Falle eines Rezidivs immer größere Bedeutung zu.

Ein einmalig grenzwertig erhöhter PSA-Wert sollte nicht zwingend eine Prostatabiopsie nach sich ziehen, sondern besser im Abstand von sechs bis zwölf Wochen kontrolliert werden. Von den verschiedenen PSA-Isoformen hat die freie PSA-Fraktion die größte Verbreitung gefunden, der Grenzwert liegt zwischen 15 bis 20 Prozent. Die Wertigkeit der Bestimmung des freien PSAAnteils liegt primär in einer Hilfestellung bei der Indikation zur Re-Biopsie im PSA-Graubereich zwischen 4-10ng/ml. Ähnlich verhält es sich mit dem neuen molekularen, urin-basierten PCA-3-Test.

Prostatabiopsie

Die transrektale, ultraschall-gezielte, systematische Prostatabiopsie mit acht bis zwölf lateral geführten Stanzen ist heute die Standardmethode zum Nachweis eines Prostata-Karzinoms. Dieser Eingriff wird ambulant unter antibiotischer Abschirmung und in Lokalanästhesie durchgeführt. Die Komplikationsrate ist bis auf eine transiente Hämaturie, Blut am Stuhl und Hämatospermie gering. Schwere Komplikationen wie Sepsis und therapiebedürftige Makrohämaturie sind selten. Ist die Erstbiopsie negativ, wird – bei weiterhin bestehenden Tumorverdacht – eine Re-Biopsie im Abstand von drei bis zwölf Monaten empfohlen. Bei der Re-Biopsie werden zusätzlich die Transitionalzone und anteriore Prostataanteile biopsiert, wobei zunehmend die sogenannte Saturations- Biopsie mit der Entnahme von 24 Biopsiezylindern und mehr angeboten wird. Re-Biopsien sind in zehn bis 35 Prozent positiv (Evidenzlevel 2a); finden sich in der Erstbiopsie karzinomsuspekte Areale (vor allem ASAP (Atypical small acinary proliferation) sogar in 30 bis 50 Prozent.

Stadieneinteilung

Das TNM-Stadium beim Prostata- Karzinom ergibt sich aus der digitorektalen Untersuchung, dem PSAWert, der Histologie, dem Befund im transurethralen Ultraschall (TRUS) sowie der erweiterten Bildgebung bei gewissen Befundkonstellationen (Abb.1). Zum Tumorgrading des Adenokarzinoms der Prostata hat sich der Gleason Score international durchgesetzt. Hierbei wird die Gewebsarchitektur nach dem Grad der Entdifferenzierung in 5 Grade klassifiziert (1: wenig – 5: vollkommen entdifferenziert). Der Score ergibt sich aus der Summe der beiden am häufigsten vertretenen Tumorgrade (2: relativ benigne, 10: höchst aggressiv). Der goldene Standard beim Lymphknotenstaging ist die pelvine Lymphadenektomie (Abb. 1).

Bildgebung

Die Bildgebung mittels CT ist nur bei PSA >20ng/ml beziehungsweise GleasonScore 8-10 indiziert und falls das Vorhandensein von Lymphknoten- Metastasen das weitere Vorgehen beeinflussen würde. Eine Knochenszintigraphie zur Diagnose von ossären Metastasen sollte bei folgenden Befundkonstellationen durchgeführt werden (Abb. 1): (i) asymptomatischen Männern mit einem PSA >20ng/ml, (ii) Gleason Score 8-10 unabhängig vom PSA und (iii) bei allen symptomatischen Männern.

In den letzten Jahren gab es laufend Verbesserungen bei der Bildgebung des Prostata-Karzinoms. Dazu zählen der farbkodierte beziehungsweise kontrastmittelverstärkte transrektale Ultraschall, die Elastographie und vor allem dynamische MRI-Techniken sowie PET-CT. Allerdings ist derzeit keine dieser Techniken im klinischen Routinebetrieb breit etabliert. Zur Risikostratifizierung des Prostata- Karzinoms hat sich das Schema von D‘Amico durchgesetzt:

  • Niederes Risikoprofil: cT1c, PSA <10ng/ml, Gleason-Score in der Biopsie <7
  • Intermediäres Risikoprofil: cT2a, PSA 10-20ng/ml u/o Gleason- Score der Biopsie von 7
  • Hohes Risikoprofil: cT2b, PSA>20ng/ml u/o Gleason- Score der Biopsie 8-10

Derzeit existieren mehr als drei Dutzend Nomogramme, um zum Beispiel präoperativ eine bessere Abschätzung der Tumorausdehnung beziehungsweise das Risiko für einen Lymphknotenbefall oder eine Prognose-Abschätzung zu ermöglichen.

Therapie

Die Therapie des Prostata-Karzinoms richtet sich nach dem Tumorstadium, dem (chronologischen) Alter, den Co- Morbiditäten und der geschätzten Lebenserwartung.

Lokal-begrenzteTumore

Prinzipiell stehen drei Therapieoptionen zur Verfügung (Abb. 2): kontrolliertes Zuwarten, radikale Prostatektomie und verschiedene Formen der Strahlentherapie. Hinsichtlich der Überlegenheit einzelner Methoden kann aus Ermangelung randomisierter Studien keine valide Aussage gemacht werden. Es existiert lediglich eine randomisierte Studie zum Vergleich watchful waiting versus radikale Prostatektomie.

Kontrolliertes Zuwarten

Die Basis für die Strategie des Zuwartens stellen mehrere Studien zum natürlichen Verlauf dar. Diese konnten zeigen, dass die Prostata-spezifische Mortalität für gut-differenzierte Tumore auch über einen langen Zeitraum (zehn bis 20 Jahre) gering ist (zehn bis 20 Prozent) (Evidenzlevel 2a). Beim kontrollierten Zuwarten wird im Fall einer Tumorprogression (PSA-Anstieg oder Up-Grading/Up-Staging in der Kontroll-Biopsie) eine Therapie (radikale Prostatektomie, Strahlentherapie, Hormontherapie) eingeleitet, während beim watchful waiting lediglich eine palliative Therapie (Hormontherapie) beim Auftreten von Symptomen erfolgt. Ein kontrolliertes Zuwarten scheint bei folgender Befundkonstellation sinnvoll: PSA <10,0ng/ml, Gleason Score <6, klinisches Tumorstadium cT1c-cT2b, Lebenserwartung < zehn bis 15 Jahre. Die bis dato vorliegenden Daten bestätigen die Sicherheit dieses Ansatzes. Nahezu kein Patient verstirbt innerhalb von zehn Jahren; verlässliche Langzeitdaten großer Kollektive fehlen allerdings (Evidenzlevel 2a). Eine Therapie wird im Verlauf bei 20 bis 40 Prozent der Betroffenen eingeleitet, meist jedoch nicht wegen einer Tumorprogression sondern auf Patientenwunsch; die Wahrscheinlichkeit für eine Therapieeinleitung ist bei jüngeren Patienten größer.

Radikale Prostatektomie

Die radikale Prostatektomie ist die einzige Behandlungsoption beim lokoregionären Prostata-Karzinom, für die in einer randomisierten Studie ein Überlebensvorteil im Vergleich zu watchful waiting nachgewiesen werden konnte (Evidenzlevel 1b). Die Indikation zur radikalen Prostatektomie besteht primär bei einem klinisch lokal-begrenzten, mitunter aber auch bei einem lokal-fortgeschrittenen Tumor und einer Lebenserwartung von zumindest zehn Jahren. Zur objektiven Abschätzung der Lebenserwartung haben sich validierte Instrumente wie zum Beispiel der Charlson-Komorbiditätsindex bewährt.

Die radikale Protatektomie kann heute auf vier verschiedenen Arten (retropubisch, perineal, laparoskopisch trans-/extraperitoneal oder roboter- assisitiert) durchgeführt werden. Soweit es derzeit abgeschätzt werden kann – randomisierte Studien liegen nicht vor – sind alle vier Techniken hinsichtlich der funktionellen und onkologischen Ergebnisse vergleichbar, wobei der Erfahrung des Operateurs die größte Bedeutung zukommt. In Österreich ist der offen-retropubische Zugang mit rund 70 Prozent die nach wie vor am häufigsten angewandte Methode; in den USA ist dies mittlerweile die roboter-assistierte Technik. Das PSA-freie Überleben für zehn Jahre korreliert eng mit dem primären Tumorstadium. Bei Patienten mit niedrigen und intermediären Risikoprofil werden Prozentsätze von 70 bis 90 Prozent erreicht.

Die Indikation und das Ausmaß der pelvinen Lymphadenektomie werden kontroversiell diskutiert. Patienten mit einem niederen Risikoprofil haben ein sehr geringes Risiko für Lymphknotenmetastasen (< fünf Prozent); auf eine Lymphadenektomie kann verzichtet werden (Evidenzlevel 2a). Bei Patienten mit einem intermediären und vor allem hohen Risikoprofil wird eine ausgedehnte Lymphadenektomie empfohlen, da ein mehr als zehnprozentiges Risiko für pelvine Lymphknotenmetastasen besteht (Evidenzle- vel 2a). Ob sich damit das Überleben beeinflussen lässt, bleibt offen.

Die (neoadjuvante) Hormontherapie vor radikaler Prostatektomie gilt heute als obsolet, da Sie hinsichtlich des progressionsfreien- und des Gesamtüberleben keinen Vorteil gebracht hat (Evidenzlevel 1a).

Für Patienten mit positiven Lymphknotenmetastasen existiert eine (kleine) prospektiv-randomisierte Studie, welche einen deutlichen Überlebensvorteil für die sofortige Hormontherapie nachweisen konnte. Allerdings hatte ein Großteil der Patienten makroskopisch vergrößerte Lymphknotenmetastasen, ein heute seltener Befund (Evidenzlevel 1b). Für Patienten mit mikroskopischem Lymphknotenbefall kann derzeit keine Empfehlung abgegeben werden. Meist wird einer engmaschigen PSA-Kontrolle der Vorzug vor einer sofortigen Hormontherapie gegeben. Ebenso verhält es sich für Patienten mit einem positiven Resektionsrand.

Die perioperative Morbidität der radikalen Prostatektomie ist gering; das Transfusionsrisiko liegt unter fünf Prozent und der postoperative Spitalsaufenthalt beträgt wenige Tage. Die zwei relevanten Nebenwirkungen der radikalen Prostatektomie sind Harninkontinenz und erektile Dysfunktion, wobei die Prozentsätze für beide Komplikationen in der Literatur sehr stark schwanken. Die Verfeinerung der Operationstechnik, vor allem das nervenschonende Vorgehen, haben zu einer deutlichen Verbesserung der Kontinenzraten geführt; das Risiko für eine erektile Dysfunktion ist jedoch altersabhängig nach wie vor relativ hoch. Auf die Vorstellung von weiterführenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen im Fall von Harninkontinenz und erektiler Dysfunktion muss hier aus Platzgründen verzichtet werden.

Externe Strahlentherapie

Die fraktioniert applizierte Strahlentherapie- Gesamtdosis richtet sich nach dem Prostata-Karzinom-Risikoprofil. Für Patienten mit niedrigem Risiko werden heute mindestens 70 Gy empfohlen. Liegt ein intermediäres Risikoprofil vor, so konnte in einer Reihe von Studien der Vorteil einer Dosis-Eskalation nachgewiesen werden. Eine Dosis von 74 bis 78Gy gilt heute als Standard. Meist wird auch die zusätzliche Gabe eines LHRH-Analogons für sechs Monate empfohlen (Evidenzlevel 1b). Für die Hochrisikogruppe wird ebenfalls eine Dosis von 78Gy empfohlen. Bei dieser Patientengruppe wird eine prolongierte (neo)adjuvante Hormontherapie mit LHRH-Analoga für zwei bis drei Jahre empfohlen (Evidenzlevel 1b).

Die Rolle der adjuvanten Irradiatio von Hochrisiko-Patienten (>pT3, Gl>7) nach radikaler Prostatektomie wurde in mehreren prospektiv randomisierten Studien untersucht. Dabei konnte ein signifikanter Überlebensvorteil für die sofortige Strahlentherapie gezeigt werden (Evidenzlevel 1b). Die sofortige adjuvante Strahlentherapie birgt allerdings die Gefahr einer Übertherapie bei der Hälfte der Patienten in sich. Aus diesem Grund und wegen der potentiellen Nebenwirkungen wird heute die weitere Therapieentscheidung meistens vom PSA-Wert sechs bis zwölf Wochen postoperativ beziehungsweise vom weiteren Follow up abhängig gemacht.

Transperineale Brachytherapie

Bei der transperinealen Brachytherapie werden kleine radioaktive Strahler (Palladium 103, Iod 125) unter ultraschall- beziehungsweise radiologischer Kontrolle von perineal permanent in die Prostata appliziert. Aus onkologischer Sicht eignet sich die Brachytherapie primär für Patienten mit niedrigem und intermediärem Prostata-Karzinom-Risikoprofil (in der Regel keine Lymphadenektomie) und einer Lebenserwartung von zumindest zehn Jahren. Parallel dazu müssen gewisse anatomische und funktionelle Vorraussetzungen geben sein: Prostatavolumen <40ml (falls zwischen 40- 60ml: neoadjuvante Hormontherapie mit LHRH-Analoga für drei bis sechs Monate; damit kann eine Volumenreduktion um 20 bis 30 Prozent erreicht werden), kein relevanter Mittellappen, keine signifikante infravesikale Obstruktion und keine ausgeprägten Miktionsbeschwerden. Das progressionsfreie Überleben nach zehn Jahren liegt zwischen 65 bis 85 Prozent; die lokale Kontrolle weit über 90 Prozent (Evidenzlevel 2a). Die häufigste Nebenwirkung ist eine transiente Verschlechterung der unteren Harntraktfunktion mit der Notwendigkeit einer passageren Harnableitung (fünf bis zehn Prozent) oder einer transurethralen Resektion der Prostata (< fünf Prozent). Fistelbildungen sind äußerst selten. Bei etwa der Hälfte der Patienten bleibt langfristig die Erektion erhalten.

Alternative lokale Therapien

Die Kryo-Ablation – sie wird derzeit in Österreich nicht angeboten – sowie der transrektale fokussierte Ultraschall (HIFU) stellen fokale Therapie-Optionen dar. Da verlässliche Langzeitdaten fehlen, sollten diese Methoden nur nach ausführlicher Aufklärung und am besten im Rahmen von klinischen Studien durchgeführt werden.

Hormontherapie

Seit mehr als 60 Jahren ist der Adrogen- Entzug (initial chirurgisch, seit etwa 20 Jahren primär mittels LHRHAnaloga) die Standardtherapie für Patienten mit einem lokal-fortgeschrittenen und vor allem metastasierten Prostata-Karzinom. In den letzten Jahren wurde die Problematik der Langzeit-Nebenwirkungen und Komplikationen der Androgen- Blockade wie Osteoporose, Anämie, Adynamie, metabolisches Syndrom, Insulinresistenz bis hin zu einem potentiell erhöhten kardiovaskulären Risikos zunehmend erkannt. Dies führte zu einer strengeren Indikationsstellung sowie zu alternativen Ansätzen (zum Beispiel intermittierende und verzögerte Hormontherapie, Antiandrogen-Monotherapie).

LHRH-Analoga

LHRH-Analoga sind seit mehr als 20 Jahren die häufigste Form des Androgenentzugs. Sie führen durch Überstimulation der Rezeptoren auf hypophysärer Ebene letztendlich zur Unterdrückung der Testosteronproduktion. Heute stehen Ein-, Dreiund Sechs-Monatspräparate für die subkutane Injektion zur Verfügung. Zur Vermeidung eines flare-ups (Tumorprogression infolge des initialen Testosteronanstieges unter LHRHAnaloga) wird die überlappende, das heißt bereits eine Woche vorher beginnende Gabe eines Anti-Androgens (für rund zwei bis vier Wochen) empfohlen, speziell bei relativ hoher Tumorlast (PSA >200ng/ml) und bei Metastasen im Wirbelkörperbereich mit der Gefahr der Spinalkanalkompression (Evidenzlevel 2a).

Maximale Androgenblockade

Die Rationale hinter der maximalen Androgenblockade (MAB) ist die zusätzliche Blockade der aus der Nebenniere stammenden Androgene, welche etwa fünf Prozent des Gesamt- Testosterons ausmachen. Dieser Ansatz wurde über zwei Jahrzehnte intensiv untersucht. Meta-Analysen zeigen einen fünfprozentigen Überlebensvorteil für die maximale Androgenblockade (Evidenzlevel 1a). Es bleibt jedoch umstritten, in wie fern dieser Vorteil klinisch relevant ist, vor allem vor dem Hintergrund der zusätzlichen Kosten. Die maximale Androgenblockade wird deshalb derzeit als Routinemaßnahme nicht empfohlen. Möglicherweise erlebt die maximale Androgenblockade in Zukunft eine Renaissance, da generische Anti-Androgene den Kostenfaktor reduzieren und die Bedeutung von sogenannten Testosteron- Durchbrüchen und Miniflares unter LHRH-Monotherapie zunehmend diskutiert wird.

Intermittierende Hormontherapie

Die Rationale hinter der intermittierenden Hormontherapie ist eine Verbesserung der Lebensqualität, eine Verringerung der Kosten und gegebenenfalls eine Verlängerung des Zeitintervalls bis zum Erreichen einer Hormon-Refraktärität. In einer Reihe von Phase II-Studien konnte die Sicherheit dieses Ansatzes nachgewiesen werden: mehrere große Phase-III-Studien laufen derzeit. Im Jahr 2009 wurde die erste randomisierte Studie zur intermittierenden Hormontherapie publiziert. Diese zeigte Vorteile der intermittierenden Hormontherapie hinsichtlich der Lebensqualität und der Kosten (Evidenzlevel 1b). Im GesamtÜberleben fand sich im Vergleich zur kontinuierlichen Hormontherapie kein Unterschied, was der Hypothese, dass durch die intermittierende Hormontherapie eine Verzögerung des Eintritts der Hormon-Refraktärität und damit ein Überlebensvorteil erreicht werden, widerspricht (Evidenzlevel 1b). Die intermittierende Hormontherapie gilt jedoch (obwohl relativ breit eingesetzt) bis zur Publikation von weiteren Phase III-Daten nach wie vor als experimentell.

Antiandrogene

Steroidale und nicht-steroidale Antiandrogene blockieren intrazellulär den Androgenrezeptor und beeinflussen damit den Serum-Testosteronspiegel im Sinn einer Absenkung nicht. Aus diesem Grund sind diese Präparate besser verträglich als der konventionelle Androgenentzug. Die beste Studienlage liegt für Bicalutamid vor. Antiandrogene sind primär für Patienten mit einem lokalfortgeschrittenen, nicht metastasierten Tumor indiziert (Evidenzlevel 1b). Im metastasierten Tumorstadium sind sie den LHRH-Analoga unterlegen und auch nicht zugelassen (Evidenzlevel 1b). Im lokal-begrenzenten Tumorstadium zeigte sich in einer Untersuchung ein Überlebensnachteil im Vergleich zu Plazebo (Evidenzlevel 1b).

LHRH-Antagonisten

Seit kurzem ist in Österreich der erste LHRH-Antagonist auf dem Markt. Diese Präparate blockieren die LHRH-Rezeptoren direkt und führen damit – im Unterschied zu den LHRH-Agonisten – zu einer sehr raschen Senkung des Testosterons (ohne flare-up; vergleichbar der subkapsulären Orchiektomie), auch miniflares (transiente Testosteron- Anstiege) werden vermieden. In einer randomisierten Studie konnte allerdings kein Überlebensvorteil gegenüber einem LHRH-Analogon nachgewiesen werden (Evidenzlevel 1b).

Indikation zur Hormontherapie

Obwohl der Androgenentzug seit über 60 Jahren den etablierten Standard zur Therapie des fortgeschrittenen Prostata- Karzinoms darstellt, ist vor allem der optimale Zeitpunkt zum Beginn der Hormontherapie für viele Tumorstadien nach wie vor umstritten (Abb. 3). Eine Indikation zur sofortigen Hormontherapie ist bei symptomatischen Patienten zweifelsfrei gegeben (Evidenzlevel 3). Ob eine sofortige Hormontherapie bei asymptomatischen Patienten einen Überlebensvorteil bietet, ist nach wie vor unklar, auch wenn die Komplikationsrate unter sofortiger Hormontherapie geringer ist (Evidenzlevel 1b) (Abb. 3). Für lokal fortgeschrittene, nicht metastasierte Patienten konnte in zwei großen Studien ein (diskreter) Überlebensvorteil für die sofortige Hormontherapie nachgewiesen werden (Evidenzlevel 1b). Die Strategie des verzögerten Hormonentzugs (das heißt Therapiebeginn erst beim Auftreten von Symptomen) wird in Mitteleuropa (im Gegensatz zum skandinavischen Raum) allerdings kaum verfolgt.

PSA-Rezidiv nach kurativer Therapie

Für ein PSA-Rezidiv nach kurativer Therapie existiert keine einheitliche Definition. Nach radikaler Prostatektomie wird heute ein PSA-Wert von >0,2ng/ ml, nach Strahlentherapie von 2,0ng/ ml über dem Nadir (= tiefster PSA-Wert nach Therapie) als beweisend für ein Tumor-Rezidiv angesehen. Die entscheidende Frage ist, ob ein lokales und/oder systemisches Rezidiv vorliegt. Diese Frage ist vor allem nach radikaler Prostatektomie wegen des unterschiedlichen therapeutischen Vorgehens relevant. Eine Differenzierung ist derzeit nur indirekt möglich. So sprechen ein früher PSAAnstieg (< zwölf Monate), eine rasche PSA-Verdoppelungszeit und ein niedrigdifferenzierter Primärtumor (Gleason Score >7) eher für ein systemisches Rezidiv. Die weitere Therapieentscheidung für Patienten mit einem vermuteten Lokal-Rezidiv nach radikaler Prostatektomie sollte bei einem PSA-Wert zwischen 0,2-0,4ng/ml gefällt werden, da nur in diesem niedrigen PSA-Bereich eine potentielle kurative adjuvante Bestrahlung langfristig Erfolg versprechend scheint (Evidenzlevel 2a). Bildgebende Verfahren (CT, MRI, PET-CT) sind in diesem PSA-Bereich kaum hilfreich und verursachen nur Kosten (Evidenzlevel 2a). Der zum Teil sehr lange natürliche Verlauf der Erkrankung bei einem PSARezidiv nach radikaler Prostatektomie sollte bei der Therapie-Entscheidung berücksichtig werden. Nach Brachytherapie oder externer Radiatio kommt in der Regel nur antihormonelle Therapie (Antiandrogene oder Androgenentzug) in Frage. Unter besonderen Bedingungen insbesondere späten Rezidiven (> fünf Jahre) kann eine neuerliche Radiotherapie sinnvoll sein.

Kastrationsresistentes Karzinom

Patienten mit einem PSA-Anstieg unter antihormoneller Therapie (cave: Überprüfung des Testosteronwertes im Falle von LHRH-Analoga) befinden sich meist in einem fortgeschrittenen Tumorstadium und werden relativ rasch symptomatisch. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt ein bis drei Jahre. Ein generell akzeptierter Therapie- Algorithmus für diese Patienten existiert nicht. Sekundäre endokrine Maßnahmen wie die Zugabe eines Andiandrogens beziehungsweise das Absetzen des Antiandrogens („antiandrogen withdrawl syndrome“) sowie die Gabe von östrogenhaltigen Substanzen wird empfohlen. Diese Maßnahmen können zu einer kurzfristigen Senkung (vier bis sechs Monate) des PSA-Wertes führen. Der Einfluss auf die Symptome ist allerdings gering, jener auf das Gesamtüberleben nicht dokumentiert (Evidenzlevel 2a). Docetaxel gilt heute beim hormonrefraktären Prostatakarzinom als Chemotherapie der Wahl mit einem – wenn auch bescheidenen – Überlebensvorteil von medianen drei Monaten gegenüber Methotrexat, vor allem aber einer deutlichen Verbesserung der Symptome und der Lebensqualität (Evidenzlevel 1b). Der positive Effekt von Docetaxel ist unabhängig von Alter, Schmerzen, Performance Status sowie dem Vorhandensein von symptomatischen und asymptomatischen Metastasen (Evidenzlevel 1b). Trotz dieser positiven Ergebnisse bleibt der optimale Zeitpunkt zum Start einer Chemotherapie umstritten. Beim asymptomatischen Patienten sollte die Indikation (außer bei einem sehr raschen PSA-Anstieg) zurückhaltend gestellt werden.

Palliatives Management

Im hormonrefraktären Tumorstadium leiden viele Patienten unter schmerzhaften Knochenmetastasen. Deswegen sollten das weitere Vorgehen in Absprache zwischen Urologen, Onkologen, Radioonkologen, Schmerztherapeuten und Sozialarbeitern erfolgen. Die Therapie der Wahl ist eine gezielte Strahlentherapie, die bei rund 80 Prozent der Betroffenen zu einer Voll- oder Teilremission der Schmerzen und zu einer Re-Stabilisierung des betroffenen Skelettabschnittes führt. Dasselbe gilt für Lymphknoten-Metastasen, die zu schwerwiegenden Druck- und Lymphabflussproblemen mit Ödembildung führen können. Palliative Schmerzbestrahlung und Radionukleid-Therapie (Samarium, Strontium), Cortison, adäquate medikamentöse Schmerztherapie und Anti-Emetika können zu einer Besserung der Lebensqualität führen. Zoledronsäure kann bei Patienten mit einem ossär-metastasierten, kastrationsresistenten Prostata-Karzinom die Rate an pathologischen Frakturen und Knochenereignissen signifikant vermindern und dadurch die Lebensqualität verbessern (Evidenzlevel 1b).

veröffentlicht am 13. Juni 2011